Solostücke

Daily routine (2017)

8’

für Soloposaune und elektronisches Tape

Pos, Tape

Jeder hat seine Morgenrituale. Für manche ist es beim Kaffee am Frühstückstisch Zeitung zu lesen. Für die jüngere Generation ist es sicherlich das Smartphone zu zücken, um erst mal die Social Media Portale nach Likes und stylischen Videos zu durchstöbern. Auch ich zähle zu diesen Menschen, die sich lange gegen diese neuen Medien gesträubt haben und ihnen am Ende ebenso (vielleicht ja sogar aus Gruppenzwang) verfallen sind. Warum eigentlich? Ich begann mich selbst zu analysieren und zu beobachten, was aus dem Newsfeed meine Beachtung fand und mit einem Teil meiner Lebenszeit gewürdigt wurde. Ich stellte fest, dass manche Dinge wie politische Umbrüche, Terrorattacken, das Mittelmeer überquerende Flüchtlinge mich fesselten und berührten, aber durch Klavier spielende Hunde, Techno im Katzenformat und anderes Getier schnell wieder in Vergessenheit gerieten. Ich kam mir vor wie ein Kind, dass mal ein lachendes, mal ein weinendes Gesicht vor sich hat und reflexartig auf das jeweilige perfekt konditioniert reagiert. Mich hat diese emotionale Flüchtigkeit schockiert, die für uns heute selbstverständlich geworden ist. Wen wundert es da, dass der moderne Mensch kaum noch Kapazitäten hat sich emotional auf etwas gründlicher (bis hin zu seinen Mitmenschen) einzulassen? Wir konsumieren Information, um sie schnellstmöglich zu vergessen, da ein innerer Selbstschutz-Mechanismus uns damit vor der Überfüllung unserer Hirne bewahrt. Der Soloposaunist verkörpert in gewisser Weise ein Individuum, was sich dieser digitalen Welt an bunten Sinneseindrücken aussetzt, ebenso gezwungen auf sie reagiert und nach und nach verzweifelt versucht dieser sinnlosen Sucht nach medialer Abhängigkeit zu entrinnen.

Posaune: Jon Roskilly  

Presence of absence (2014)

15’

für Soloflöte und elektronisches Tape

Fl, Tape

John Cage hat einmal erwähnt, dass sich für ihn die schönste Musik abspiele, wenn er die Fenster seines Appartements in New York öffne. Für mich war es eher immer genau anders herum. Wann immer ich an einem leicht geöffneten Fenster vorbeikomme, aus dem leise Musik entweicht, werde ich intuitiv gestoppt und muss dem geheimnisvollen Klang lauschen. Dies betrifft vor allem Musik, die jemand selbst spielt oder singt. Mit all der amateurhaften Unvollkommenheit des jeweiligen Spielers und der Tatsache, dass diese Musik wohl eher nicht der Öffentlichkeit gilt, erweckt diese Situation immer wieder eine unbeschreibliche fragile Schönheit. Vielleicht kann man dies sogar als die ehrlichste und reinste aller Musik betrachten. In „Presence of absence“ versuche ich diesen Moment einzufangen. Es gibt eine Flöte, die auf der Bühne gespielt wird und eine zweite, die zuvor aufgenommen wurde und per Lautsprecher wiedergegeben wird. Diese Tapeflöte wurde zunächst solo aufgezeichnet und das aufgenommene Tonmaterial in der Folge an unterschiedlichen Orten abgespielt und mitsamt der jeweiligen Umgebung wiederum festgehalten. Dieser Prozess wurde so lange wiederholt bis das ursprüngliche Tonmaterial komplett zerstört und verdeckt wurde. Was nun während des Stückes passiert, ist, dass die Liveflöte zunehmend in den Hintergrund gerät, während die Tapeflöte nach und nach in ihrer reinsten Form erscheint. Mein Dank gilt Eleanor Cully für das Einspielen der Tapeflöte und Bryn Harrison für die Inspiration zu dem Titel des Stücks.