Musiktheater

Longing for disaster (2016/17)

15’

für Performer, Sampler und Ensemble

Performer: Kiri Haardt

Im Anfang waren die Kapitalismusverlierer… Sie wurden nach und nach von einem System gezüchtet, was sie bis aufs letzte ausgesaugt hat, um einem kleinen anderen Teil der Gesellschaft das “Paradies“ zu gewährleisten. Der Witz ist, dass ein fast religiöser Glaube an dieses System den Abgehängten stets vorgaukelt, dass sie jederzeit vom Tellerwäscher zum Millionär werden könnten – wenn man nur nach den Regeln spielt und artig das konsumiert, was gut für einen ist. Gut auch, dass die Konzerne wissen, was der einfache Durchschnittsmensch braucht um glücklich zu sein, denn offensichtlich hat ihn diese Bevormundung bereits so erfasst, dass er es selbst gar nicht mehr weiß.

Dieses fremdgesteuerte Wunderland der Bedürfnisbefriedigung geht einher mit der maßlosen Übersättigung der Sinne auf die meist eine emotionale Leere folgt, die mit Suchtmitteln aller Art, Antidepressiva oder dem Ersehnen von Extremae gestillt/betäubt wird. So auch dem Konsum von heroischer Gewalt in Cinemascope oder dem sich Ergötzen an Horror Szenarien auf Bild-Zeitungsschlagzeilen. Die Ernüchterung geht so weit, das Menschen sogar die “guten alten Zeiten“ beschwören, die doch angeblich so viel besser waren. Sie blenden dabei in geradezu unbegreiflicher Weise die Vorzüge heutiger Liberalität aus und wünschen(!!) sich die Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit, Privatsphäre und Sicherheit herbei. Sie wollen lieber Zeuge (und auch Partizipierende??) rasanter politischer Umbrüche werden, als langwierigen und komplizierten Gesetzgebungsprozessen oder hochkomplexer Diplomatie. Von den Politikern wird verlangt, dass sie von heute auf morgen die Wünsche der Wähler umsetzen ganz so wie ihnen es die kapitalistische Schnelllebigkeit eingeimpft hat. Wer zu lange braucht, wird von dem, der am lautesten kräht abgelöst. Dass dieser, der sich vulgär und plakativ dem sogenannten “einfachen Volk“ anbiedert, in Wahrheit selbst ein klassischer Vertreter jener so verhassten Elite ist, fällt dann auch keinem mehr auf. Dem Herdentrieb folgend akzeptieren die Menschen erneut eine Bevormundung von oben und lassen sich geradezu spielerisch leicht zu einer Masse formen, deren Zusammenhalt auf dem Mobbingphänomen, der Ausgrenzung von “denen“ beruht. Doch wer sind “diese“? Sind es Ausländer, Muslime, Flüchtlinge, Homosexuelle, Frauen, Behinderte, Umweltaktivisten, Veganer (et cetera ad absurdum)? Kurz: alles Terroristen! Egal wer oder was es ist – das Fremde ist das Böse! Die ursprünglichen Opfer des Raubtierkapitalismus ernennen sich, von Demagogen aufgehetzt, nun selbst zum Richter über Minderheiten. Da darf dann schon mal auf offener Straße geprügelt werden oder ein Flüchtlingsheim brennen…

Es ist naheliegend, dass die, die perspektivlos geworden sind, gewaltbereit und im Sinne von “nach mir die Sintflut“ handeln. Das gilt für Superreiche, deren letzter Lebensinhalt die sich vergrößernde Zahl ihres nach Panama ausgelagerten Vermögens ist, aber auch für jene deren existenzielle Not so groß geworden ist, dass sie zu allem bereit sind – zunächst zur Aufgabe ihrer Individualität und in der Folge sogar der gewaltsamen Opferung ihres eigenen Lebens zu Gunsten wahnsinniger Ideologien.

Frau Meier die Amsel (2011)

15’

für 3 Stimmen und Ensemble

S,B, CT, Kl, Hn,Hrf, 2 Perk, Vla, Vlc, Kb